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Großbritannien: Notfallgesetz zur Rettung des Stahlwerks in Scunthorpe verabschiedet – Politik

Aus Lincolnshire wurden am Samstag chaotische Szenen gemeldet, mit viel Geschrei und Aufregung und Polizei. Draußen, vor dem Kraftwerk in Scunthorpe in Mittelengland, standen Arbeiter mit Gewerkschaftsfahnen und Transparenten, drinnen verschanzte sich offenbar am Morgen eine Gruppe Chinesen, teilweise live zu verfolgen in den britischen Nachrichtensendern. Überhaupt spitzte sich der wochenlange Kampf um das letzte Stahlkraftwerk des Vereinigten Königreichs derartig zu, dass in Westminster gar pathetisch von einem „historischen Samstag“ die Rede war.

Das Kraftwerk in Scunthorpe ist Teil des Konzerns British Steel, 2700 Menschen arbeiten dort, drei Viertel aller Mitarbeiter der Firma. Seit 1890 wird in Scunthorpe Stahl produziert, die vier Brennöfen sind nach englischen Königinnen benannt, Bess, Anne, Victoria und Mary, wobei die letzteren beiden nicht mehr in Betrieb sind. Es ist das einzige Kraftwerk im Königreich, das sogenannten virgin steel produziert, der für den Bau von größeren Gebäuden oder Infrastrukturprojekten benötigt wird. Das Kraftwerk wie die British Steel sind damit, wie Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds am Sonntag in der BBC sagte, nicht nur elementar für die britische Bauindustrie, sondern auch „für unsere wirtschaftliche Stabilität“.

Für 50 Millionen Pfund ging das Unternehmen an die chinesische Stahlfirma Jingye

Die einstige Tory-Premierministerin Margaret Thatcher privatisierte die British Steel – wie zahlreiche andere Firmen und Zweige der Industrie – Ende der 1980er-Jahre, seitdem hatte die Firma mehrere verschiedene Eigentümer. 2019 wurde die British Steel unter die Insolvenzverwaltung der damaligen Tory-Regierung von Boris Johnson gestellt, die das Unternehmen für 50 Millionen Pfund an die chinesische Stahlfirma Jingye verkaufte. Im März teilte Jingye mit, das Kraftwerk mache am Tag rund 700 000 Pfund Verlust, weshalb es geschlossen werden solle.

Seitdem verhandelt die Labour-Regierung von Keir Starmer mit Jingye über einen Erhalt des Kraftwerks, zuletzt habe man „ein sehr großzügiges Angebot“ gemacht, wie Reynolds sagte, es ging dabei um den Kauf von Rohmaterialen für die Brennöfen des Kraftwerks. Eine Ladung des Brennstoffs soll bereits an einem nahegelegenen Hafen lagern, Jingye aber soll sich geweigert haben, das Material zu verwenden. Stattdessen sei sogar versucht worden, den Rohstoff wieder zu verkaufen, sagte Reynolds.

500 Millionen Pfund, umgerechnet etwa 575 Millionen Euro, soll die Regierung laut mehreren Zeitungsberichten angeboten haben, um die Firma dabei zu unterstützen, die Stahlproduktion zu modernisieren. Die Firma aber habe eine Milliarde Pfund verlangt. Für die Regierung habe sich also der Eindruck verfestigt, dass der chinesische Betreiber das Kraftwerk unbedingt schließen wolle: „Wir sind dann zu der Erkenntnis gekommen“, sagte Wirtschaftsminister Reynolds am Sonntag, „dass sie auf keines unserer Angebote eingehen werden.“

Seltener Rückruf aus der Osterpause

Das britische Parlament allerdings befindet sich in der Osterpause, und es kommt selten vor, dass diese Pausen unterbrochen werden. Dass das Parlament wie jetzt auch noch für einen Samstag zurückgerufen wurde, ist sogar noch seltener: Samstagssitzungen gab es, diesen Samstag eingeschlossen, seit dem Zweiten Weltkrieg erst sechsmal. Das letzte Mal, dass die Abgeordneten an einem Samstag aus einer Pause geholt wurden, war 1982, während des Kriegs um die Falkland-Inseln.

Premier Keir Starmer beim Treffen mit Arbeitern von British Steel, Appleby Village bei Scunthorpe. (Foto: Peter Byrne/via REUTERS)

Um ein Gesetz zu beschließen, ist die Anwesenheit beider Kammern notwendig. Ein Gesetz wird erst im Unterhaus debattiert und verabschiedet, dann im Oberhaus untersucht und oft mit Veränderungsvorschlägen zurückgegeben. Normalerweise dauert dieses Hin und Her zwischen den Kammern Wochen, wenn nicht Monate. Am Samstag dauerte es nur ein paar Stunden. Am Abend unterzeichnete König Charles III. das „Steel Industries Special Measures Bill“, das erst am Vormittag vorgestellt worden war.

Jingye bleibt zwar Eigentümer des Kraftwerks, das Gesetz aber ermächtigt die Regierung, das Management zu kontrollieren, um die Brennöfen in Betrieb zu halten. Dafür stellt die Regierung sieben Millionen Pfund bereit. Aus Sorge, Jingye könnte versuchen, dies während der Debatte im Parlament zu sabotieren (Brennöfen können schwer wieder in Betrieb genommen werden, wenn sie einmal ausgegangen sind), wurden vorübergehend Zutrittsausweise gesperrt. Eine Gruppe des Managements soll sich dann trotzdem Zutritt verschafft haben, floh aber wohl, als die Polizei eintraf.

Um die Fracht in den kommenden Tagen vom Hafen zum Kraftwerk zu bringen, soll die Regierung erwägen, die Royal Navy als Schutzeskorte einzusetzen. Downing Street wollte derartige Berichte am Sonntag nicht kommentieren.

Die finanziellen Mittel für den Erhalt von Scunthorpe kommen aus einem 2,5 Milliarden-Pfund-Topf, den die Labour-Regierung bereits für die Modernisierung der Stahlindustrie verabschiedet hatte. Es gibt jedoch Befürchtungen, allein Scunthorpe könnte, sollte sich kein Käufer finden, den gesamten Topf allein aufbrauchen.

„Diese Regierung ist eine Regierung der Industrie“, sagte Premierminister Keir Starmer am Samstagabend. Ob die Ereignisse dieses Wochenendes dazu führen, dass Labour die Privatisierungspolitik von Margaret Thatcher zumindest teilweise rückgängig macht und nicht nur die British Steel, sondern auch andere Zweige der Industrie zur Energiegewinnung verstaatlicht, das wollten weder Starmer noch Reynolds sagen. Die Übernahme von British Steel aber sei, soviel zumindest gab Reynolds im Radiosender LBC zu, „eine zunehmend wahrscheinliche Option“.

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