
Es kommt wahrlich nicht mehr oft vor, dass sich bei Eintracht Frankfurt der Mann mit der Nummer 22 zur Einwechslung aufstellt. Wenn Timothy „Timmy“ Chandler allerdings auch nur einen Fuß auf den Rasen setzt, johlt das Publikum vor Begeisterung. Der gebürtige Frankfurter spielt die gut gelaunte Vaterfigur für die vielen multikulturellen Talente. Und am Samstagabend ergab sich aus Eintracht-Sicht beim Topspiel gegen Leipzig (4:0) die Gelegenheit, dem 35 Jahre alten Liebling der Fans mal wieder Einsatzminuten zu gönnen.
Ausgerechnet gegen RB, den Verfolger, den Chandlers Frankfurter nun als Tabellendritter weit hinter sich gelassen haben. Der Einzug in die Champions League ist für die Hessen nah. „Wir haben einen Riesenschritt gemacht“, freute sich Keeper und Kapitän Kevin Trapp. Dass seine Vorderleute „trotz des jungen Alters“ (Trapp) so abgeklärt auftraten, erstaunte auch den Routinier. Während Frankfurt den gelungenen Abend genoss, herrschte auf Leipziger Seite Trübsal. Der mit einem Rasenballsport-Plakat versehene Gästeblock war ohnehin halb leer geblieben, was irgendwie ins Bild passte: Der Brauseklub hat seit Gründung noch nie bei der SGE gewonnen – aber war er jemals so krass unterlegen?
Geschäftsführer Marcel Schäfer sah mit Erschrecken, wie die Eintracht mit ihren schnellen Umschaltelementen den früheren RB-Erfolgsstil kopierte. „Frankfurt hat uns gezeigt, was es bedeutet, zielstrebig nach vorne zu spielen, mit wenig Kontakten, Tiefe zu nutzen und sich immer wieder Chancen herauszuspielen.“ Tempo und Tiefgang waren mal Leipziger Markenzeichen – nun konnte Schäfer bloß konstatieren: „Wir waren in allen Bereichen unterlegen. Wir sind weder, was die Art und Weise, noch was das Ergebnis angeht, unseren Ansprüchen gerecht geworden.“
In den entscheidenden Momenten schauten die Gäste nur zu. Erst traf der überragende Ansgar Knauff doppelt (21. und 53.), dann rundeten Torjäger Hugo Ekitiké (67.) und der fast unüberwindbare Abwehrchef Robin Koch mit ihren Kopfbällen eine Gala ab. Es war ein Fußballspiel, das nach dem Feldverweis gegen Leipzigs jungen Verteidiger El Chadaille Bitshiabu wegen Notbremse (50.) die Züge einer Demütigung trug. Rätselhaft, wie dieses zerzauste Ensemble ohne jegliche Haltepunkte den stabilen Tabellenvierten SC Freiburg noch einfangen will.
Die Bayern wollen ihr Meisterstück nun in Leipzig machen
Zumal am kommenden Samstag der FC Bayern sein Meisterstück in Sachsen machen möchte. Im schlimmsten Fall könnte Leipzig – sollte es am vorletzten Spieltag auch in Bremen eine Niederlage geben – noch ganz aus den Europapokalplätzen rutschen. Jürgen Klopp als neuer „Global Head of Soccer“ des Red-Bull-Konstrukts findet einen Haufen Arbeit vor. Schließlich war in Frankfurt nicht mal in Spurenelementen eine Spielidee zu erspähen. Und Inspiration schon gar nicht. Der angekündigte Umbruch muss womöglich größer ausfallen als gedacht.
Die Nichtleistung von Leuten wie Xavi Simons, der seine Kapitänsbinde ohne jede Körperspannung spazieren trug, wirkte arg verstörend. Leipzig fehlte alles, was die einst von Ralf Rangnick entworfene und Julian Nagelsmann fortgeführte Philosophie ausmachte. Interimstrainer Zsolt Löw lag mit einigen Personalmaßnahmen arg daneben. Sein Experiment mit Kosta Nedeljkovic als rechtem Schienenspieler oder Ridle Baku im defensiven Mittelfeld beendete der Ungar zur Pause. Löw sagte hinterher, er müsse „erst mal drüber schlafen“, bevor er den Blick nach vorne richte: „Ich kann kein klares Bild darüber geben, was schiefgelaufen ist. Wir haben im Kollektiv versagt.“ Sich selbst nahm Löw nicht aus: „Wenn was nicht funktioniert – taktisch oder wenn die Mannschaft mental nicht gut vorbereitet ist –, dann bin natürlich in erster Linie ich dafür verantwortlich.“
Die Eintracht hat dagegen einen gemeinsamen Entwicklungsprozess von Team und Trainer durchlaufen. „Wow! Was für ein Statement-Sieg“, schwärmte Chefcoach Dino Toppmöller. „Wir hatten noch eine Rechnung offen, die wollten wir begleichen.“ Eine Anspielung auf die Dezember-Niederlagen in Liga (1:2) und Pokal (0:3) gegen RB. Würde man sich erstmals über die Liga für die Königsklasse qualifizieren (2022 gelang das über den Europa-League-Triumph), „dann stehst du in den Geschichtsbüchern“, fand Toppmöller. Die Antwort aufs vermeidbare Europa-League-Aus gegen Tottenham verlief also eindrucksvoll.
„Manchmal gehören Niederlagen dazu für die Entwicklung einer Mannschaft. Das Trainerteam hat es gut gemacht: Es ist wichtig im Fußball, den Jungs den Spaß nicht zu nehmen und mehr die Chance als das Risiko zu sehen“, lobte Sportvorstand Markus Krösche. Gleichzeitig deutete er an, dass Toppmöller mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung rechnen könne – man würde jedenfalls „den Weg gerne weitergehen“. Der zuvor lange Zeit in Leipzig tätige Krösche hat überdies bewiesen, wie ein hoch spannender Kader mit viel Entwicklungspotenzial zusammengestellt wird. Sechs Spieler der Frankfurter Startelf waren 23 Jahre und jünger – und ein jeder wirkte lauf- und willensstärker als sein Leipziger Gegenüber.
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