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Nato-Staaten planen Einsatz von Landminen – Rückzug aus Ottawa-Konvention

Es ist ein eindringliches Bild – und das sollte es auch sein: Lady Diana durchschritt im Januar 1997 mit Schutzvisier und Splitterschutzweste ein scharfes Minenfeld in Huambo, Angola. Die Aufnahme der Prinzessin von Wales, damals eine der am meisten fotografierten Frauen der Welt, umgeben von tödlicher Gefahr, machte weltweit Schlagzeilen.

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Das Medienecho und die Faszination der Öffentlichkeit für Diana lösten eine international weitreichende Unterstützung für Minenräumungsprojekte aus und veranlassten die Regierungen rund um den Globus, sich mit der ernsten Thema zu befassen: Allein Angola war damals nach 20 Jahren Bürgerkrieg mit 15 Millionen Landminen verseucht, Zehntausende Zivilisten waren getötet oder verstümmelt worden. Das südwestafrikanische Land hatte seinerzeit den prozentual höchsten Bevölkerungsanteil von Amputierten auf der Welt.

Das von Diana angestoßene Problembewusstsein führte zum „Übereinkommen von Ottawa“, das 1997 unterschrieben wurde, und in dem sich bis 2018 weltweit 164 Länder dazu verpflichteten, den Einsatz, die Herstellung, die Lagerung und die Weitergabe von Antipersonenminen zu verbieten.

Neues Bedrohungsszenario an der Nato-Ostflanke

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Zu den Unterzeichnerstaaten gehörten bislang alle Nato-Mitglieder bis auf die USA, also auch Polen, Litauen, Lettland und Estland. Mitte März kündigten die Verteidigungsminister dieser Länder allerdings an, aus der Ottawa-Konvention austreten zu wollen: „Die militärischen Bedrohungen für die an Russland und Weißrussland angrenzenden Nato-Mitgliedsstaaten haben erheblich zugenommen“, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung zur Begründung der Ausstiegsentscheidung. „Wir sind der Auffassung, dass es im gegenwärtigen Sicherheitsumfeld von größter Bedeutung ist, unseren Verteidigungskräften Flexibilität und Wahlfreiheit bei potenziellen und neuen Waffensystemen und Lösungen zu bieten, um die Verteidigung der verwundbaren Ostflanke des Bündnisses zu stärken.“

Dem Vorstoß der vier Länder schloss sich am 1. April auch ein weiterer Staat mit einer Grenze zu Russland an: „Finnland sieht sich derzeit nicht mit einer unmittelbaren militärischen Bedrohung konfrontiert“, erklärte Ministerpräsident Petteri Orpo. Der Schritt ermögliche dem Land aber, sich vielseitiger auf die grundlegenden Veränderungen der Sicherheitslage in Europa vorzubereiten.

Für den „Halo Trust“, die seit 1988 in Krisenregionen wie im Nahen Osten, in Ex-Jugoslawien oder in Afrika insgesamt 1,5 Millionen Landminen geräumt und der Dianas symbolischen Gang durch das Minenfeld in Angola organisiert hatte, ist das Ausscheren Polens und der drei baltischen Länder ein herber Rückschlag: „Der Schritt stellt die Ottawa-Konvention vor ihre größte Herausforderung seit ihrer Unterzeichnung im Jahr 1997“, teilte die britische Nichtregierungsorganisation (NGO) mit. Sie fügte hinzu, dass der „Einmarsch in die Ukraine eine neue Realität für die Verteidigung Osteuropas geschaffen hat“.

„Wir alle werden ein wenig verwundbarer“

Großbritannien beeilte sich mit der Zusicherung, Antipersonenminen weiterhin zu ächten: „Das Vereinigte Königreich bleibt seinen Zusagen als Vertragsstaat des Ottawa-Abkommens verpflichtet, und wir wissen die wichtige Rolle zu würdigen, die dieser Vertrag spielt, um Leid von der Zivilbevölkerung abzuwenden“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums dem Sender „Sky News“. Er betonte allerdings, dass es das souveräne Recht Polens, Litauens, Lettlands und Estlands sei, dem Übereinkommen von 1997 den Rücken zu kehren.

Weniger Verständnis zeigte die Unterhaus-Abgeordnete Sarah Champion von der Labour-Partei: „Wenn Nationen sich zurückziehen, werden wir alle ein wenig verwundbarer“, beklagte sie, „daher ist die Entscheidung von Polen, Litauen, Lettland und Estland bedauerlich.“

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Darren Cormack von der Mines Advisory Group (MAG) sagte, er wisse, dass es für Länder, die sich „von bewaffneten Angriffen bedroht“ fühlen, „keine einfachen Entscheidungen“ gebe.

Polen will bis zu einer Million Antipersonenminen anschaffen

Aber der Geschäftsführer der britischen NGO, die Minen, leichte Waffen und Munitionsrückstände in Konfliktgebieten räumt, fügte hinzu, dass „das humanitäre Völkerrecht genau für Zeiten wie diese konzipiert wurde, in denen die Menschen in größter Gefahr sind und das Risiko eines Konflikts am höchsten ist. Umfangreiche Erfahrungen zeigen, dass der taktische Nutzen von Antipersonenminen durch die von ihnen verursachten zivilen Schäden aufgewogen wird, deren tragische Auswirkungen wir tagtäglich in der ganzen Welt erleben.“

Das Polnische Institut für Internationale Angelegenheiten (PISM) hält den Rückzug Polens aus der Ottawa-Konvention hingegen für angemessen. Der Schritt sei ja auch nur vorbeugend gemeint, heißt es in einem Beitrag des Instituts. Denn in Kriegszeiten könnten Länder nicht mehr aus dem Vertrag austreten.

Zumindest anschaffen will Polen Antipersonenminen aber schon jetzt. Einige Hunderttausend bis zu einer Million solcher Sprengfallen müsse die polnische Armee nun in ihre Bestände aufnehmen, sagte Paweł Bejda, Staatssekretär im polnischen Verteidigungsministerium, dem Radiosender RFM.

Baltische Länder wollen flexibel sein

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Verhaltener äußerte sich der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur, der Landminen für die estnische Verteidigung für unnötig hält. Es gebe keine Pläne, solche Minen „zu entwickeln, zu lagern oder einzusetzen“. Pevkur war offensichtlich in erster Linie daran gelegen, Einigkeit mit den Nachbarländern zu demonstrieren.

Sein lettischer Kollege Andris Sprūds stellte hingegen klar, dass Lettland die industriellen Fähigkeiten habe, um „relativ schnell“ in die Minenproduktion einzusteigen.

Und das litauische Verteidigungsministerium hielt sich alle Optionen offen: „Die frühere rechtliche Verpflichtung“ werde „heute als Einschränkung der Fähigkeiten Litauens und seiner Wahlmöglichkeiten bei der Landesverteidigung angesehen“.

Deutschland hält den Ball in der Angelegenheit bislang flach. Eine nähere Bewertung vermied das Bundesministerium der Verteidigung auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND): „Die Bundesregierung hat die Äußerungen der Verteidigungsminister Polens, Litauens, Lettlands, Estlands und nun auch Finnlands bezüglich eines Austritts aus der Ottawa-Konvention zur Kenntnis genommen”, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. „Für die Bundesregierung gilt unverändert, dass Deutschland sich als Vertragsstaat des Übereinkommens über das Verbot von Antipersonenminen an die Verpflichtungen des Übereinkommens hält. Daran ändert auch die aktuelle Bedrohungslage nichts.”

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