
Brüssel. EU-Energiekommissar Dan Jørgensen macht keine Kompromisse. Nord Stream 2 ist für den Dänen endgültig Geschichte – egal, was der Kreml für einen Deal bei den Ukraine-Friedensverhandlungen mit den USA aushandeln will. Es sei „völlig ausgeschlossen“, dass bald wieder russisches Gas durch die Nord-Stream-Pipelines fließe, sagte Jørgensen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) in Brüssel. „Ich arbeite hart daran, dass kein einziges Molekül russischen Gases mehr in die Europäische Union kommt“, sagte der Kommissar. Noch immer kämen 13 Prozent der Gasimporte der EU aus Russland. „Das ist inakzeptabel“, fügte er hinzu. Er werde in Kürze einen Fahrplan vorlegen, um auch die letzten Gaslieferungen aus Russland in die EU zu stoppen.
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Nachdem die energieintensiven Industrien in Deutschland lange Zeit von billigem Gas aus Russland profitiert hätten, dürften sie trotz der Friedensverhandlungen mit Russland nicht auf russisches Gas hoffen, machte Jørgensen deutlich. Er verstehe die Herausforderungen der Industrie durch die hohen Energiepreise und sehe es als seine Aufgabe an, der Industrie bei der Umstellung zu helfen: „Idealerweise weg vom Gas und hin zu Alternativen, aber wenn Gas weiterhin benötigt wird, müssen andere Lieferanten gefunden werden.“
Der Gastanker “Christophe de Margerie” (r.) liegt im Hafen von Sabetta auf der Jamal-Halbinsel im Norden Russlands. Links der russische Atomeisbrecher “50 Let Pobedy” (50. Jahrestag des Sieges).
Quelle: Friedemann Kohler/dpa
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte in dieser Woche erklärt, bei den Verhandlungen zwischen Moskau und Washington über ein Friedensabkommen sei auch über die Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen durch die Nord-Stream-Pipeline gesprochen worden. Es werde interessant sein zu sehen, ob die USA ihren Einfluss auf Europa nutzen und es zwingen werden, das russische Gas nicht mehr abzulehnen, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Tass den Außenminister. In den vergangenen Wochen waren zudem Pläne des US-Milliardärs Stephen Lynch bekannt geworden, die Pipeline zu kaufen. Die Financial Times hatte berichtet, dass US-Investoren Nord Stream 2 als Verhandlungsmasse für einen Ukraine-Friedensdeal einbringen wollten. Der US-Sondergesandte Richard Grenell soll mehrfach in die Schweiz gereist sein, um dort über mögliche Abkommen zu verhandeln. Die Treffen sollen unter anderem in Steinhausen stattgefunden haben, wo sich die Zentrale der Betreibergesellschaft von Nord Stream 2 befindet, die zum russischen Staatskonzern Gazprom gehört. Grenell streitet jegliche Teilnahme an einer Vorbereitung der Inbetriebnahme ab.
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Wie würde die Europäische Union reagieren, wenn US-Präsident Donald Trump versuchen würde, die Europäer zu zwingen, wieder russisches Gas zu beziehen? Für EU-Kommissar Jørgensen ist das noch eine hypothetische Frage. „Aber kein Friedensabkommen kann uns zurück in die Abhängigkeit von Russland zwingen“, stellte er klar.
Kein Friedensabkommen kann uns zurück in die Abhängigkeit von Russland zwingen.
Dan Jørgensen,
EU-Energiekommissar
Zuvor hatte Jørgensen in einer Keynote-Rede beim CDU-Wirtschaftsrat davor gewarnt, Russlands Kriegskasse weiter mit westlichen Geldern zu füllen. Selbst wenn es Frieden in der Ukraine gebe, könne man nicht sicher sein, dass Putin nicht als Nächstes ein anderes Land angreife und dieses Land Mitglied der EU sei. „Wir können keine Euros in eine Kriegskasse für einen Mann stecken, der in naher Zukunft einen Mitgliedstaat angreifen könnte“. Seit Beginn des großangelegten Krieges gegen die Ukraine im Jahr 2022 habe Europa bereits so hohe Summen für russische Energie bezahlt, wie 2400 nagelneue F-35-Kampfflugzeuge kosten würden, kritisierte er.
Neue Zahlen zeigen jedoch, dass die Gasimporte aus Russland in die EU im vergangenen Jahr um 18 Prozent gestiegen sind. Eigentlich sieht der Plan der EU-Kommission vor, bis 2027 kein Gas mehr aus Russland zu importieren. „Es ist ein Skandal, dass die EU immer noch russisches Gas importiert“, sagte Energieanalyst Pawel Czyzak vom Energie-Thinktank Ember am Donnerstag. Er hat mit seinem Team analysiert, dass vor allem Italien, Frankreich und Tschechien für den starken Anstieg verantwortlich sind.
Auch aus Deutschland kam an den steigenden Zahlen scharfe Kritik. „Dass im vergangenen Jahr wieder mehr Gas aus Russland in die EU importiert wurde, ist alarmierend und steht im Gegensatz zu den geopolitischen Realitäten“, sagte Grünen-Chefin Franziska Brantner dem RND. „Leider sehen wir auch in Deutschland, wie alte Moskau-Connections wiederbelebt werden und Teile der Union und SPD den russischen Gashahn wieder aufdrehen wollen“, warnte sie. „Wenn Friedrich Merz und Lars Klingbeil noch etwas an ihrer außenpolitischen Glaubwürdigkeit gelegen ist, kann ich nur daran appellieren, keine Rolle rückwärts zu machen“, fügte die Grünen-Politikerin hinzu.
Zudem warnen die Fachleute vom Ember, dass der massive Ausbau der LNG-Infrastruktur für alternative Gaslieferungen aus anderen Ländern überdimensioniert sei. „Anstatt in echte Alternativen wie erneuerbare Energien und Effizienz zu investieren, um die russischen Importe zu stoppen, verbrennen die Mitgliedsstaaten Geld mit teuren LNG-Kapazitäten, die nicht einmal genutzt werden“, so Czyzak. Den Ember-Berechnungen zufolge wird es 2030 rund 26 Prozent mehr Gas geben als von der Industrie und Privathaushalten benötigt wird. Bereits jetzt sind die deutschen LNG-Terminals nicht einmal zur Hälfte ausgelastet.
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Nach dem Amtsantritt Trumps hatten europäische Politiker öffentlich spekuliert, man könne den USA mehr LNG abkaufen, auf diesem Weg Trump milde stimmen und US-Zölle verhindern. Doch die neue US-Administration hat an einem solchen Deal nach RND-Informationen bisher keinerlei Interesse gezeigt. Weder in Gesprächen mit Vertretern des deutschen Wirtschaftsministeriums noch der EU-Kommission hatten die USA eine Ausweitung von LNG-Verkäufen nach Europa gefordert.
Allerdings sinkt in Deutschland die Nachfrage nach Gas zunehmend. Im vergangenen Jahr lag der Gasbedarf laut Bundesnetzagentur 14 Prozent unter dem Vergleichszeitraum der Jahre 2018 bis 2021. Aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung der Industrie wird erwartet, dass der Gasverbrauch in Deutschland und Europa auch in in den nächsten Jahren weiter zurückgeht.
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