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Präsidentenwahl in Polen: “Nach vorn oder zurück?”

Warschau

In einer Stichwahl wählen die Polen heute einen neuen Präsidenten. Die letzten Umfragen vor der Abstimmung lassen einen spannenden Wahlkrimi erwarten. Der Liberale Rafal Trzaskowski und der Rechtskonservative Karol Nawrocki liegen praktisch gleichauf. Dabei sind die Visionen, die beide für ihr Land haben, diametral entgegengesetzt. Das tief gespaltene Polen steht vor einer Richtungswahl. Sie wird den Kurs des EU- und Nato-Mitglieds maßgeblich bestimmen – mit Auswirkungen für Deutschland und Europa. 

“Nach vorn oder zurück?”, titelte das Magazin Polityka in seiner neuesten Ausgabe – und darin zeigt sich das Dilemma von Deutschlands östlichem Nachbarn. Gewinnt der Warschauer Oberbürgermeister Trzaskowski das Rennen, dann hat der proeuropäische Regierungschef Donald Tusk einen Parteifreund und starken Verbündeten im Präsidentenpalast, der ihn bei seinem Reformkurs unterstützen wird.

Setzt sich der parteilose Historiker Nawrocki durch, dann hat Tusk schlechte Karten. Denn Nawrocki wird von der rechtskonservativen PiS unterstützt, Polens größter Oppositionspartei. Nawrocki könnte mit seinem Vetorecht Gesetzentwürfe blockieren und Tusk das Regieren praktisch unmöglich machen. Ein instabiles Polen und vorgezogene Neuwahlen könnten die Folge sein – und die mögliche Rückkehr der PiS an die Macht.

Wirtschaftslokomotive Polen

Polen ist seit 2004 Mitglied der EU. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat das Land mit seinen 37,5 Millionen Einwohnern ein stetiges Wirtschaftswachstum hingelegt – mit Ausnahme einer kleinen Delle infolge der Corona-Pandemie. Seit 2015 hat sich das Durchschnittseinkommen mehr als verdoppelt, derzeit liegt es bei umgerechnet 2113 Euro.

Ein Netz von Autobahnen, auch mit EU-Mitteln subventioniert, durchzieht das Land. Funklöcher sucht man vergebens, die Züge der polnischen Eisenbahn fahren meist pünktlich. Schmucke Eigenheime mit Doppelgarage und Solaranlage zeugen vielerorts davon, dass der Wohlstand auch auf dem Land angekommen ist. Und überall bezahlen die Menschen bargeldlos mit Blik, einem landeseigenen mobilen Bezahlsystem.

Gewachsene militärische Bedeutung durch Ukraine-Krieg

Russlands Angriffskrieg gegen die benachbarte Ukraine hat Polens Rolle als Nato-Partner aufgewertet. Das Land ist eine wichtige logistische Drehscheibe für die Militärhilfe des Westens für Kiew. 

Polen fühlt sich auch selbst von Russland bedroht und rüstet massiv auf. In diesem Jahr will es 4,7 Prozent von seinem Bruttoinlandsprodukt für Verteidigung ausgeben. Seine Streitkräfte zählen 206 000 Soldatinnen und Soldaten – deutlich mehr als die Bundeswehr.

Liberale Städter, konservative Landbewohner

Die Vorstellungen darüber, wie sich Polen mit seiner wachsenden Bedeutung positionieren soll, gehen innerhalb der Bevölkerung aber stark auseinander. Die erste Wahlrunde hat gezeigt: Der liberale Proeuropäer Trzaskowski hat seine Wähler vorwiegend in den Städten. Der 53-jährige Warschauer Stadtoberste setzt sich für die Rechte der LGBT-Community ein, spricht fünf Fremdsprachen und ist aus seiner Zeit als stellvertretender Außenminister international gut vernetzt.

Doch auf dem Land wächst die Zahl derer, die das Gefühl haben, dass ihre Interessen bei dem rasanten Wandel der Gesellschaft auf der Strecke bleiben. Viele Anhänger von Karol Nawrocki sagen, sie wollten “Normalität”. Sie meinen die Rückkehr zu einem traditionellen, katholisch geprägten Familienbild. Und sie wollen weniger Europa, weniger Migration und mehr Nation.

Ängste vor dem Verlust der Souveränität

Der 42-jährige Nawrocki ist ein Mann mit schwieriger Vergangenheit. Er war in seiner Jugend Amateurboxer und Türsteher, hat aus dieser Zeit Kontakte ins Rotlichtmilieu und war 2009 an einer Massenschlägerei von Fußball-Hooligans beteiligt. Das alles spricht nicht unbedingt für Normalität.

Doch Nawrocki spielt geschickt mit den Ängsten der Menschen. Die EU wolle aus Polen einen “Landkreis mit polnischstämmiger Bevölkerung” machen und dem Land die Souveränität nehmen, warnt er im Wahlkampf. “Wieso sollen wir das Kommando über die polnischen Streitkräfte an Brüssel abgeben, wenn Ursula von der Leyen nicht mal die Bundeswehr im Griff hatte?” Das gefällt dem Publikum – und niemand hinterfragt, ob es denn überhaupt solche Pläne gibt.

Rechtsextreme profitieren von Politikverdrossenheit

Ein weiterer Faktor bei dieser Wahl ist Politikverdrossenheit. Viele Menschen haben einfach genug davon, dass der Kampf zwischen dem 68-jährigen Donald Tusk und dem 75-jährigen Jaroslaw Kaczynski seit mehr als 20 Jahren die Politik ihres Landes bestimmt. Das sei eine Erklärung dafür, dass in der ersten Wahlrunde mehr als 21 Prozent der Wähler für zwei rechtsextreme Kandidaten gestimmt hätten, sagte Agnieszka Lada-Konefal vom Deutschen Polen-Institut. “Das war die Rote Karte für diese beiden Herren. Besonders die jungen Wähler finden sich da nicht mehr wieder.”

Der Rechtsextreme Slawomir Mentzen und der offen antisemitisch agierende Grzegoz Braun sind in der ersten Wahlrunde ausgeschieden. Viele ihrer Anhänger sind Protestwähler, deren Verhalten in der Stichwahl schwer abzuschätzen ist. Doch die Annahme ist, dass ein Großteil von ihnen Nawrocki die Stimme geben wird.


Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de


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