Uncategorized

Was tun gegen das Leid von Tieren?

Marburg-Biedenkopf. Anne Boldt ist gestresst. Die Tierschützerin aus Biedenkopf plant gerade eine Kastrationsaktion für streunende Katzen im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Die dritte seit Dezember 2024, wie sie sagt. Denn die Zahl der Streuner sei einfach zu hoch. Seit knapp fünf Jahren explodiere die Zahl der verwilderten Hauskatzen regelrecht, sagt Boldt.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

„Das ist Tierleid hoch drei“, sagt sie über die Tiere. „Besonders zur Katzen-Baby-Saison werden wir zugeworfen mit streunenden Katzen“, erzählt die Tierschützerin. Und diese seien in schrecklicher Verfassung. Verwahrlost, ausgehungert und in vielen Fällen krank können die verwilderten Tiere auf sich alleine gestellt kaum überleben. Außerdem, sagt sie, gebe es ein massives Problem mit Inzest. „Wir hatten Katzenbabys mit Gaumenspalte“, sagt Boldt.

Hinzu komme die schiere Masse an streunenden Katzen. Zwar gebe es keine belastbaren Zahlen, wie viele Streuner im Landkreis leben, aber es seien viele. Schon 2023 sagte Dr. Jens Ried, Bürgermeister von Cölbe und Vorsitzender des Tierheimvereins, dass etwa 70 Prozent der Katzen im Tierheim Fund- oder Streunerkatzen seien. Diese seien gesundheitlich in schlechter Verfassung. Auch Pflegestationen nehmen immer wieder kranke und ausgehungerte Tiere auf. Boldt berichtet, dass sie zu Spitzenzeiten 26 Tiere bei sich selbst versorgt habe.

Pflegestationen und Tierheim überfüllt

Auch im Tierheim Cappel in Marburg kennt man das Leid der Tiere. Immer wieder komme das Tierheim an seine Belastungsgrenze, und das nicht nur wegen der Zahl der Tiere, sondern auch oft wegen deren Krankheitsbelastung, sagt Maresi Wagner, Leiterin des Tierheims Cappel in Marburg. Erst Anfang 2025 musste das Tierheim einen Aufnahmestopp für Katzen verhängen. „Nichts ging mehr rein oder raus“, sagt Wagner. Eine streunende Katzenfamilie aus Stadtallendorf hatte einen Hautpilz eingeschleppt, der sich im Tierheim verbreitete.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Die betroffenen Tiere mussten in Quarantäne. Der Aufnahmestopp sei dramatisch gewesen, so Wagner. Schließlich kämen bis zu 400 Katzen jährlich zu ihnen. Die Situation habe sich mittlerweile entspannt, nur noch wenige Tiere seien in Quarantäne. Aber, so sagt sie, steht die neue Katzenbaby-Saison vor der Tür, der das Tierheim „mit bangem Blick“ entgegensieht.

Um die Streunerpopulation einzudämmen und vor allem zu kontrollieren, setzt der Tierschutzverein Marburg auf Kastration und feste Futterstellen, an die sich die verwilderten Katzen gewöhnen sollen und die Kastrationsaktionen.

Kastrationsmarathon: Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Im Dezember vergangenen Jahres lief wieder so eine Aktion. Bis März 2025 wurden circa 60 Katzen gefangen, kastriert und gechipt. Eigentlich bis Ende März angesetzt, war das Budget schon Mitte März aufgebraucht. Denn Tierarztkosten seien hoch, erzählt Boldt. So werden für die Kastration eines Tieres zwischen 100 und 150 Euro fällig. Die nächste Kastrationsaktion ist trotzdem schon geplant.

Am Montag, 28. April, sollen noch mal mindestens 12 Tiere kastriert und gechipt werden. Aber ob solche Aktionen wirksam die Zahl der streunenden Katzen kontrollieren und Tierleid verringern, muss sich noch zeigen. Zwar führe der Tierschutzverein solche Kastrationsaktionen schon seit knapp fünf Jahren durch, aber, sagt Bold, erst seit vergangenem Jahr intensiv.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Nicht nur Tierschutzorganisationen versuchen, das Problem zu lösen. Im Landkreis verabschieden immer mehr Kommunen Katzenschutzverordnungen, um die Population von streunenden Katzen einzudämmen. Mittlerweile gibt es solche Verordnungen in elf Städten des Landkreises. In Marburg beispielsweise wurde eine entsprechende Verordnung im März vergangenen Jahres eingeführt. Durch die Verordnung werden Katzenhalter dazu verpflichtet, ihre Freigänger nur kastriert und gechipt vor die Tür zu lassen. Zuwiderhandlung kann mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro bestraft werden.

Lesen Sie auch

Ein richtiger Schritt, sagt Tierschützerin Anne Boldt. Sie kritisiert aber auch, dass die Kontrolle der Katzen und deren Halter noch zu große Lücken aufweise. In Biedenkopf gibt es beispielsweise seit Oktober 2024 eine Katzenschutzverordnung, Kontrollen werden aber bisher nicht durchgeführt. Bürgermeister Jochen Achenbach sagte im Dezember 2024: „Wir werden nicht durch Biedenkopf laufen, Katzen einfangen und gucken, ob die einen Chip haben.“

Boldt wünscht sich von den Kommunen mehr Kooperation. Das reiche schon, wenn dem Tierschutzverein die Sichtung von streunenden Katzen mitgeteilt werde, sagt Boldt. Die könne man dann fangen und überprüfen, ob sie schon gechipt seien. Das sei auch als Privatperson möglich, sagt Boldt. Sie selbst hört mehrfach am Tag den Anrufbeantworter des Tierschutzvereins ab. Wenn man eine streunende Katze sichtet, solle man beim Tierschutzverein Marburg anrufen und mitteilen, wo und wann man das Tier gesichtet habe. Auf der Website des Tierschutzes www.tierschutz-marburg.de lassen sich alle wichtigen Kontaktinformationen finden.

Drastische Maßnahmen in anderen Bundesländern

In anderen Bundesländern wird derweil zu drastischen Methoden gegriffen. In Schleswig-Holstein beispielsweise wurden vergangenes Jahr laut Berichten des NDR und des Spiegels 2.500 Katzen von Jägern erlegt. Der Landesjagdverband Schleswig-Holstein gab in einer Stellungnahme anlässlich einer Agrarausschusssitzung an, dass die Jagd auf wildernde Katzen ein Baustein sei, um die Streunerpopulation zu kontrollieren. In dem Bundesland, so der Jagdverband, gebe es circa 75.000 verwilderte Katzen.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

In Hessen ist die Jagd auf wildernde Katzen prinzipiell erlaubt. Im Hessischen Jagdgesetz ist das im Paragrafen 32 geregelt. Hier heißt es, dass „Katzen, die in einer Entfernung von mehr als 500 Metern, in einem Zeitraum vom 1. März bis 31. August in einer Entfernung von mehr als 300 Metern von der nächsten Ansiedlung jagend angetroffen werden“, gejagt werden dürfen. Im Landkreis Marburg-Biedenkopf allerdings, sagt Dr. Hans-Otto Pusch, Erster Vorsitzender des Marburger Jagdvereins, werden keine Katzen gejagt.

So schnell vermehren sich Katzen

Eine Hauskatze ist bereits nach vier bis fünf Monaten geschlechtsreif. Alle drei Wochen können Katzen rollig werden, eine Schwangerschaft dauert in der Regel 60 bis 70 Tage. Ein Weibchen kann bis zu dreimal im Jahr Katzenbabys bekommen. Zwei bis fünf Jungtiere kommen pro Wurf zur Welt. Besonders bei verwilderten Hauskatzen kann die Population so in wenigen Jahren stark wachsen.

Und auch bei illegalen Abschüssen von Katzen scheint es keine Auffälligkeiten zu geben. Man erfasse nicht gesondert Abschüsse von Tieren, sagt Sabine Richter vom Polizeipräsidium Mittelhessen, sondern nur die Zahl der Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. „Das können auch Jugendliche sein, die Steine nach einer Taube werfen“, sagt Richter. Auffälligkeiten bei den Zahlen gebe es aber nicht.

Sind Katzen eine Bedrohung fürs Ökosystem?

Laut Landesjagdverband Schleswig-Holstein seien wildernde Katzen eine Bedrohung für Kleintiere und Singvögel. Diese Meinung teilt auch Andreas Trepte, Vorsitzender des Naturschutzbundes Marburg-Biedenkopf (NABU). Er schreibt in einer Antwort auf OP-Anfrage: „Nach aktuellen Schätzungen können in Deutschland jährlich bis zu 132 Millionen Vögel Katzen zum Opfer fallen – betroffen sind vor allem Jungvögel in der Brutzeit, häufig nicht aus Hunger, sondern durch den natürlichen Jagdtrieb der Tiere.“

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

„Die Katze ist natürlich ein Raubtier“, sagt auch Tierheimleiterin Maresi Wagner. Gleichzeitig bezeichnet sie die Debatte über den Schaden von Katzen am Ökosystem als „eigentlich so nicht tragbar“, solange nicht über eine andere Gefahr für Vögel gesprochen werde. Sie sieht das Sterben bei Vögeln eher in Verbindung unter anderem mit dem Insektensterben.

Pestizideinsatz oder Zerstörung von Lebensraum hätten beispielsweise einen größeren Einfluss auf das Ökosystem als Katzen. In den Jagdrevieren von Freigängerkatzen, zum Beispiel in den Gärten von Vorstädten und Wohngebieten, seien die Vogelpopulationen stabil. In den Gärten gebe es gute Lebensbedingungen für die Vögel. Eher im Wald- und Feldbereich“, nehme, so Wagner, die Population ab und „da sind die Freigänger-Katzen eigentlich gar nicht unterwegs“.

Auch Anne Boldt sieht in Freigängern und streunenden Katzen nicht zwangsläufig eine Gefahr für Vögel und Kleintiere. Sie empfiehlt zwar, zu Brutzeiten Katzen morgens früh und abends zum Schutz von Vögeln nicht rauszulassen. Aber das eigentliche Problem sei das Leid der Katze selbst.

OP

#tun #gegen #das #Leid #von #Tieren

Related Articles

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Back to top button

Adblocker Detected

Please Turn off Ad blocker